Narzissmus-Ausstieg gleicht einem Sekten-Ausstieg (1)

Lenora Thompson

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Als meine Freunde und ich durch das Stadium des Kontaktabbruchs mit unserer narzisstischen Familie gingen, war ich erstaunt wie sehr unsere Schwierigkeiten den Symptomen eines Sektenausstiegs ähnelten. 

Sich aus der Gegenwart eines Narzissten physisch zu entfernen, stellt sich - obwohl schwierig -  als Kinderspiel heraus im Vergleich zu dem  Austreiben der inneren  Stimmen, der Programmierung und Gehirnwäsche. Oder wie sie in cultinformation.org.uk/article_caring-for-cult-victims.html  sagen: „Die Person aus einer Sekte zu bekommen ist eine Sache, aber die Sekte aus der Person zu bekommen, eine andere!“ So ist es für uns auch. Aus der Beziehung mit einem Narzissten zu gehen, ist eine Sache, aber den Narzissten aus sich raus zu bekommen, eine andere!

 

 

Stecken bleiben auf Ebene 7

Nach culthelp.info ist Stufe 7 des Sektenausstieges auf schaurige Art ähnlich wie zu der Situation von den meisten von uns, die auf der Stufe nach Kontaktabbruch stecken bleiben.

STUFE SIEBEN:

Die „Ich-weiß-nicht-genau –was-ich-denken-soll“-Stufe: Viele Leute stecken hier fest. Sie versuchen die Dinge für sich rauszubekommen. Sie sind jedem gegenüber misstrauisch. Sie trauen weder ihren Freunden noch ihrer Familie und sie trauen sich nicht selbst. Sie trauen keinem traditionellen Christentum. Sie trauen nicht der Information, die die Gruppe gibt. Sie trauen nicht der Schrift und finden vielleicht Gründe zu glauben, dass die Bibel falsch übersetzt wurde. Dieses Stadium ist sehr kritisch.

 

Der Stress dadurch kann Krankheit, Angst, Alpträume, emotionale Probleme, Eheprobleme, Scheidung, destruktive Unfälle wegen der mentalen Überanstrengung, Selbstmord, Feindseligkeit und Wut verursachen. Manche berichten von Problemen wie Übelkeit, Zähne knirschen und andere äußere Zeichen von Spannung. Dieses Stadium ist extrem schmerzvoll und Angst einflößend. Je länger normalerweise eine Person oder seine Familie in der Gruppe war, umso schmerzvoller ist es. In diesem Stadium versuchen manche Leute mit den Führern zu verhandeln. Sie arrangieren Besuche oder schreiben lange quälende Briefe. Manche hoffen, dass sie das System ändern können oder welche umstimmen können. Sie sind erstaunt über die  absolute Unfähigkeit der Führer zu hören, was ihnen gesagt wird. Wie auch immer, lenken manche ein in die Argumente, bringen sie auf den Pfad und versuchen ihre Gemüter zu besänftigen.

Lass uns das runter brechen und jedes einzelne Element näher betrachten. Aber in umgekehrter Reihenfolge….

Besuche und Briefe

Komm schon. Du weiß, du hast es getan oder wolltest es tun. Das Verlangen, zur Mitte der Familie zu gehören, ist tief verwurzelt. So schreiben wir Briefe, senden sie manchmal ab, aber meistens zerreißen wir sie. Verfassen Emails und löschen sie. Verbringen hunderte von Stunden mit „Verhandeln“ in unseren Köpfen, denken uns perfekte Wörter aus, so dass unsere Familien plötzlich ein Licht aufgehen würde, so dass wir zum Schoß zurückkehren können.

Aber es passiert nicht. Wie Sektenanführer sind narzisstische Familien total unfähig zu hören, was wir sagen. Besser gesagt, sie wollen nicht. Wir könnten uns die Tinte, das Papier und die Post sparen. Sekten ändern sich nicht. Und narzisstische Familien ändern sich auch nicht.

Krankheit, Ängste und Alpträume

Letztes Jahr fragte mich mein Redakteur, ob ich eine Frau vor Ort interviewen kann, die an posttraumatischer Belastungsstörung leidet und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Service-Tiere für andere Trauma-Leidende zu trainieren. Pflichtbewusst machte ich das Interview, schoss Fotos und schrieb sogar einen Artikel. Eigentlich ging es leicht von der Hand.

Dann ging alles schief. Als sie ihre Geschichte erzählte, fühlte ich instinktiv, als ob sie die Geschichte meiner Mutter erzählen würde. Es war die Seite der Geschichte, die mir nie erzählt wurde, die Geheimnisse, die die Entstehung von Angst, Panikattacken und Sprunghaftigkeit meiner Mutter erklärten. Ich fing an, heftige Flash-Back zu entwickeln. Ich fühlte mich extrem gestört, aber meine Co-Abhängigkeit stand bei Fuß und ich beendete das Interview, ohne ein Haar zu krümmen.

Aber in dieser Nacht weckte mich Michael aus einem tiefen Schlaf: „Liebling! Liebling, wach auf!“ „Was ist passiert? Was ist?“ fragte ich angeschlagen. „Bist du in Ordnung?“ fragte er. „Was redest du da?“ „Du hattest einen Alptraum! Während du auf dem Rücken lagst, hast du geredet, getreten und  mit den Füßen auf der Matratze herum gestampft“.

Ich habe immer noch Alpträume von Narzissten. Oft. Es begann mit 15 und passiert immer noch. Ich bin aus dem Wald noch nicht draußen.

 

Übelkeit, Zähne-Knirschen und andere äußere Zeichen der Spannung

Im Zahnarztsessel sitzend erklärte ich, dass meine Zähne wehtun. Aber die Röntgen-Aufnahme zeigt keine Löcher und allgemein eine hervorragende Zahngesundheit. So gab sie mir den Tipp, die Zähne etwas getrennt zu halten. Ich sei vermutlich eine Zähne-Knirscher. Ich knirsche tagsüber. Ich knirsche nachts…während ich sabbere, wenn mein Kopfkissen die Wahrheit erzählt. Ich habe ein undichtes Knirschen. (lach)

Aber das ist nicht das Einzige.

Ganz früh in der ersten Klasse wollten die anderen kleinen Mädchen diese Handschlag-Spiele nicht mit mir spielen. Ich war zu steif. Ruckartig. Ich brauchte Entspannung.

Ich konnte nicht.  

20 Jahre später: Es ist der erste Abend des Drei-Tage-Bluegrass-Festivals und ich habe solche Schmerzen. Ich kann meine Geige nicht spielen. Glücklicherweise unterrichtet eine meiner Freunde Massage. So nahm sie ihre Geige runter und bearbeitete meinen Rücken. „Ich habe noch nie solche festen Muskeln gefühlt!“ erklärte sie. Bis zu diesem Tag waren meine Schultermuskeln zu einer felsenfesten Masse gebündelt 24/7. Meine Hände wurden taub und kribbelig. Mein Nacken schmerzte. Ich wachte mit Kopfweh auf.

Eheprobleme

 „Ich bin nicht dein Scheiß Vater!“ erklärt mein Ehemann zum x-ten Mal. Denn ich war verwirrt. Manchmal vergesse ich, dass die größere männliche Person in meinem Leben nicht mein Vater ist und mich nicht so behandelt, wie mein Vater mich behandelte. Ich reagiere nur, vergesse dabei, dass Michael nicht mein Vater ist. Und nichts sollte so gemacht werden, wie mein Vater es sagte, meinte er. Denn Michael ist nicht mein Dad. Er ist nicht da, um mich reinzulegen, mich zu kritisieren und mich auszulachen, an mir etwas zu projektieren oder mich zu ändern. Ich versuche mich daran zu erinnern.

 

Feindlichkeit und Ärger

Sie ist immer da…die Wut. Auch als ich „Der krumme Pfad zur Heilung“ schrieb und es täglich ausdrückte, half es nicht wirklich.

 

Je mehr Wut ich ausdrückte, umso stärker wurde sie. Mein Ärger war wie ein kannibalischer Drache, der sich selbst fütterte. So lange ich mich auch in meinem Ärger erging und in der Privatheit meines Autos schrie, ging nichts weg. Es brauchte eine paar Jahre Zeit, aber schließlich bemerkte ich, dass dieser Ärger nie vergehen wird. Es ist ein bodenloser Kelch, ein ständig hungriger Drache. Solange der Schmerz existiert, ist auch die Wut präsent. Ich erfuhr das über die Liste für meinen Mann, als ich ihm über all die Missbräuche, die ich als Heranwachsende bis zum Erwachsenwerden erleben musste, berichtete. Er ist verletzt, aber er geht selten im Ärger unter.

Der Schmerz ist immer noch da, so wie die Wut noch da ist. Es wird bis zum Tod oder Alzheimer bleiben…was auch immer zuerst kommt. Aber ich füttere nicht länger meinen Ärger  fressenden Drachen. Und das fühlt sich ziemlich gut an.

Mangel an Vertrauen

Oh ja! In höchstem Maße. Ich liebe es, Freunde zu haben, aber ich mag sie aus einer sicheren Entfernung heraus, wissend, dass sie da sind, aber zu schüchtern, um mit ihnen viel zu reden. Ich bin müde, den Lenora-Akt zu spielen…das ganze Lächeln und die Späße. Die echte Lenora ist still, sie existiert kaum. Unsichtbarkeit war Sicherheit. Ich habe es in ein Spiel umgewandelt. Warum? Denn ich vertraue Leuten nicht. Ich habe Angst vor Leuten. Leute verletzen mich. Welche Leute? Alle Leute.

Nach einem Leben, in dem man dominiert, beschämt, gezüchtigt, zur Projektionsfläche erklärt, manipuliert, Gehirn gewaschen und benutzt wurde…Warum solltest du und ich noch jemanden trauen!? Wir beanspruchen Rückzug oder machen uns „Einsiedlerei“ als Label zu eigen, aber ich frage mich, ob wir uns nicht einfach vor Angst in die Hosen scheißen.

Verletzt. Gebrannt.

Kein Kontakt

Wenn du bereit auf Abstand zu deinen Narzissten gegangen bist, gratuliere ich. Wenn du auf dem Zaun wippst, boing!. Erwäge, dich ins Kein-Kontakt-Land zu begeben. (Es ist ziemlich voll. Mit dir sind eine Menge von uns!)

Wenn du teilweise auf Keinen-Kontakt bist, auf was wartest du dann!? Ich versichere dir, dass dein Weggang null Effekt auf deine Familie haben wird, null, nada, zilch, zero. Haben Sekten Kummer, wenn sie ihre Mitglieder verlieren? Nö. Sie brandmarken sie nur als zur Hölle gefahren und gehen glücklich ihres Weges.

Unglücklicherweise ist es so mit Narzissten. Sie brandmarken uns als die, die die Probleme machen, und gehen unbekümmert ihren glücklichen Weg weiter. Lass dich nicht von den Krokodils-tränen zum 2.724.941. Mal reinlegen. Sie vermissen dich nicht. Kein Mal. Sie vermissen, was wir zur Verfügung gestellt haben. Ein Ohr, mit dem sie schwatzen konnten. Einen Körper, den sie manipulieren konnten. Ein Bewusstsein, auf das sie ihre Sünden projizieren konnten. Und so weiter und so weiter bis zum Erbrechen.

 

Und es kommt noch dicker

Da ist noch viel mehr, was wir von den Konzepten der Sektendynamik und des Sektenausstiegs lernen können. Ich ermuntere dazu, das Thema zu googeln, so wie wir zusammen den krummen Pfad der Heilung von narzisstischem Missbrauch betreten!

 

(aus dem Englischen übersetzt von Emma Kober) 

 

http://blogs.psychcentral.com/narcissism/2016/06/cult-withdrawal-mirrors-narcissist-withdrawal-pt-1/

 

 

 

 

Über Lenora Thompson

 

Lenora Thompson ist freie Journalistin für die Huffington Post und Holzbrand-Künstlerin. In ihrem Blog „Narzissmus begegnet der Normalität“ („Narcissism Meets Normalcy“) beschreibt sie ihre wahre Lebensgeschichte, eine Flucht in jüngster Zeit aus der Geiselhaft einer Generationen übergreifenden, sektenhaften, narzisstischen Familie. Mit offenem, beißenden Humor und Sarkasmus beschreibt sie mutig und realistisch, was sie erlebte. Lenora Thompson sieht sich selbst als „whistleblower“, die eine Schlaglicht auf narzisstischen Missbrauch wirft, so dass auch andere anfangen, ihre Freiheit und die Erfahrung von Heilung zu machen. Hier ihre Webseite: http://www.lenorathompsonwriter.com

 

 

Der Artikel ist nur zur Information und hat aufklärerische Absichten. Es sollte unter keinen Umständen als Therapie erwogen werden oder Therapien und Behandlung ersetzen. Wenn du dich Selbstmord gefährdet füllst, oder denkst, dich selbst zu verletzen, oder wenn jemand in Gefahr ist, wende dich an öffentliche Notrufstellen. Der Inhalte dieser Blogs und alle Blogs beschreiben die Meinung von L. Thompson. Wenn du Hilfe brauchst, kontaktiere qualifizierte psychologische Stellen.