Du bist zu emotional!

Du bist so emotional!

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Wenn ich einen Dollar für jedes Mal gehabt hätte, wäre ich jetzt eine reiche Frau: „Lenora, du bist so emotional.“ Wurdest du auch so verunglimpft? Klingeln irgendwelche Glocken? Wenn ein ganzes Glockengeläut am Bimmeln ist, hat es alle meine Sympathien. Erforschen wir das Phänomen ein bisschen zusammen. 

Zuerst die harte Wahrheit. Manchmal sind Menschen über die Maßen emotional. Wir sind Menschen und deshalb sind wir manchmal wirklich zu emotional. Was kann ich sagen!? Es passiert halt Mist.

Aber darüber geht der Artikel nicht. Es geht um Situationen, in denen wir wertvolle Gefühle spüren, starke Gefühle und passende Gefühle. Es sind Situationen, in denen andere Menschen uns ungeduldig beschämen, weil wir nicht nur diese Gefühle haben, sondern uns bösartig beschuldigen, es wagen, diese Gefühle auszusprechen. Das Vermächtnis und die Auswirkung dieser Scham ist heute immer noch in uns.

 

Ich erinnere mich an ein spezielles Szenario. Oh, ich muss um die zwölf Jahre gewesen sein. Wie üblich sitzen Papa und Mama am Küchentisch und diskutieren über „sie“, nicht über „Lenora“, nur über „sie“. Sie benutzten immer „sie“, um über mich in der dritten Person zu diskutieren. Ich saß am Ende des Tisches, schlecht gelaunt an einem Tunfisch-Sandwich kauend, lustlos und kraftlos, als mein Schicksal unpersönlich diskutiert und entschieden wurde, ohne Bezug auf Normalität und Gefühle zu nehmen.

 

Das Thema dieses besonderen Nachmittags war, wie man meine Sittsamkeit gegen  die gefürchteten, in der Nacht zum Hochrutschen geneigten Nachthemden bewahren könne. Natürlich war das Schlafen bei geschlossener Schlafzimmertür nie als berechtigte Option erwogen worden. Privatheit war ein Dorn im Auge meiner Eltern. So schlief ich einunddreißig Jahre mit offener Schlafzimmertür.

Anscheinend hat mein Vater oft rein geguckt, um mich in der Nacht zu kontrollieren und ein bisschen zu viel gesehen. Ich glaube, er kam rein, um mich zuzudecken, aber meine Erinnerung an dieses Detail ist trübe. Sie entschieden schließlich, dass ihre über-feminine Tochter Männer-Boxer-Unterhosen bei Nacht tragen sollte. Die perfekte Lösung!

 

Ich war entsetzt! Meine Wut über diesen Schlag gegen meine Weiblichkeit kannte keine Grenzen. Ich versuchte meinen Ärger auszudrücken, aber wurde sofort in mein Schlafzimmer verbannt. An meinem Schreibtisch sitzend kritzelte ich meine Wut Seite für Seite auf ein Notizblock-Papier. Meine Mutter las wenigstens meinen wütenden Brief. Meine Erinnerung wird schwammig, aber ich schämte mich wahrscheinlich für meine „nicht  so netten“ Emotionen. Und natürlich machten sie sowieso keinen Unterschied. Für die nächsten Jahre habe ich die verhasste Männerunterwäsche jede Nacht getragen.

Das Thema des „zu emotional“-Seins ist in den Webstoff meines Lebens eingewebt. Und ich glaubte alles! Gott helfe mir, ich hinterfragte nie die Quelle dieser Kritik, die ursprünglich gewöhnlich von meinem Vater stammte.

 

Doch noch in meinem Gehirn gewaschenen Zustand schoss ein Element des Zweifels durch meinen Verstand. Der schweflige Geruch von Verlogenheit:

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Ich kam nicht jeden Abend von der Arbeit heim und quasselte irgendetwas im Zorn. Aber er tat es. Ich wütete nicht tagsüber eine halbe Stunde über die Inkompetenz meiner Mitkollegen. Aber er tat es. Ich grapschte nicht nach den Haaren der Nachbarkinder und schrie sie an. Aber er tat es. Ich verbrachte nicht Stunden damit, Radar-Geschwindigkeitswaffen zu studieren, um einen Treffer auf einer simplen Geschwindigkeitskarte zu landen. Aber er tat es. Ich boxte wegen eines unkontrollierten Husten nicht mit den Fäusten vor Wut in die Luft. Aber er tat es. Ich fiel nicht vor Wut während eines Hustenanfalls auf den Boden in Ohnmacht. Aber er tat es. Ich schlug keine Tür aus und warf mit Möbelstücken. Aber er tat es.  Ich war nicht ständig depressiv. Aber er war es. Und er nannte mich emotional!? Er sieht den Balken im eigenen Auge nicht.

 

Aber ich komme vom Thema ab…immer wieder.

Jetzt sehe ich, dass meine Gefühle einfach ganz unpassend für ihn waren, aber nicht ungültig. Seine inhumane Behandlung mir gegenüber bewegen natürlicherweise die normalen, menschlichen Gefühle. Meine Gefühle waren – in den Worten von Dr. Darcy – „natürlich und angemessen“. Aber er hatte keine von ihnen. Er verlangte totale Kontrolle, nahm es übel, wenn man darauf reagierte.  

Er forderte, dass ich Männer-Unterwäsche trage, aber nicht, dass ich angepisst und böse bin.

Er isolierte mich von meinen Freunden mit 16 Jahren für 18 Monate, aber ich sollte kein böses Mädchen sein, das dagegen aufstand.

Er warf meine Schularbeitszettel durch den Raum, wütete gegen mich, bis ich weinte, vergab mir dann am nächsten Morgen mit dem Spruch: „Weinen mag die Nacht anhalten, aber die Freude kommt am Morgen auf“ (Psalm 30:5).

Er brachte mich zu zwanghaften Verhaltensweisen mit seiner ständigen Wut und Kritik, dann versuchte er mit jeder Methode mich zu beschämen, damit ich meinen einzigen Weg der Bewältigung aufgebe.

 

 

Er zwang mich Glen, mein einzige, amüsante Verabredung (im Alter von 27) aufzugeben, dann verlangte er, ich solle sofort und fröhlich meine alte Fidel nehmen und ihn bei einer fröhlichen Jam-Session begleiten.

Er verbat mir auszuziehen, aber gab mir ungeduldig das Etikett „B.O. einer Persönlichkeit“, weil ich unglücklich zu Hause lebte, und suggerierte  mir, ich widme dem Dekorieren meines Kinder-Schlafzimmers Aufmerksamkeit wie einem „Spielhaus“-Bewältigungs-Mechanismus.  

Er machte meine Beziehungen zu Freunden unmöglich, schlug aber ungeduldig vor, ich müsse meine Ernsthaftigkeit, einen Ehemann zu finden, Gott beweisen, indem ich „mein Herz mit Gott überein bekomme“ und meine häuslichen Fähigkeiten perfektioniere.

Natürlich schlussfolgert eine logische Person in dieser unlogischen Situation in einiges Punkten, dass Emotionen gefährlich sind. Gefühle sind das Problem. Starr zu werden scheint plötzlich eine verdammt gute Alternative. Der Hohn des „Du bist soo emotional“ besudelt nicht länger dein Leben. Du wirst nicht mehr aufgefordert: „Guck-nicht-so! “

Starr zu werden, bedeutet Sicherheit.

Ich muss darin vorzüglich gewesen sein. Bei mehr als einer Gelegenheit schwärmte meine Mutter: „Du gibst alles so leicht auf“. Freunde, Feld-Touren, Partys, Meilensteine gemäß dem Alter, Verabredungen, sexy Kleider, Beziehungen, Reisen…Normalität. Sie verboten es und ich zeigte keine Emotion. Du winselst die ersten paar tausend Male, dann lernst du Frieden zu halten. Ein eigener Ausdruck erwischt dich nicht mehr, denn er schmerzt.

Unglücklicherweise ist das Vermächtnis der Gefühllosigkeit. Nun, du kannst weiter Wut und Schmerz fühlen, aber du kannst nicht weinen. Nicht für dich selbst und nicht um deinen Schmerz. Nach all dem ist der Schmerz ungültig. Und ungültige Schmerzen zu bedauern, ist wie eine traurige Party zu haben. Und erlaubt sind sie sowieso nicht, sind sie das? Sicher nicht!

Aber Verbannen der Emotionen geht auf eigenes Risiko. Es ist ein Alles-oder-Nichts-Szenario. Wenn du Gefühle verbannst, verlierst du auch die Fähigkeit tiefe Freude, Glück und Liebe zu empfinden. Und vergesse dabei die Eruierung  deiner Intuition und deine guten Bauchgefühle. Die werden nicht da sein.

Leben wird eine gut einstudierte Farce. Wir mögen lächeln und lachen, durch den Gang der emotionalen Skala rennen. Aber spüren wir wirklich so tief wie eine „normale“ Person? Ich denke nicht.

Das ist eine weitere Facette dieses verdammten Vermächtnisses, von Narzissten erzogen worden zu sein.

(aus dem Englischen übersetzt von Emma Kober) 

http://blogs.psychcentral.com/narcissism/2016/01/youre-so-emotional/

 

 

Über Lenora Thompson

 

Lenora Thompson ist freie Journalistin für die Huffington Post und Holzbrand-Künstlerin. In ihrem Blog „Narzissmus begegnet der Normalität“ („Narcissism Meets Normalcy“) beschreibt sie ihre wahre Lebensgeschichte, eine Flucht in jüngster Zeit aus der Geiselhaft einer Generationen übergreifenden, sektenhaften, narzisstischen Familie. Mit offenem, beißenden Humor und Sarkasmus beschreibt sie mutig und realistisch, was sie erlebte. Lenora Thompson sieht sich selbst als „whistleblower“, die eine Schlaglicht auf narzisstischen Missbrauch wirft, so dass auch andere anfangen, ihre Freiheit und die Erfahrung von Heilung zu machen. Hier ihre Webseite: http://www.lenorathompsonwriter.com

 

 

Der Artikel ist nur zur Information und hat aufklärerische Absichten. Es sollte unter keinen Umständen als Therapie erwogen werden oder Therapien und Behandlung ersetzen. Wenn du dich Selbstmord gefährdet füllst, oder denkst, dich selbst zu verletzen, oder wenn jemand in Gefahr ist, wende dich an öffentliche Notrufstellen. Der Inhalte dieser Blogs und alle Blogs beschreiben die Meinung von L. Thompson. Wenn du Hilfe brauchst, kontaktiere qualifizierte psychologische Stellen.

 

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