Warte. War das…. sexuelle Belästigung?!

Lenora Thompson

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Letzte Woche befragte ich meine Facebook-Freundinnen zum Thema sexualisierte Anmache. Die meisten sind Überlebende narzisstischer Gewalt. Ich fragte, ob sie sich in ihrem Leben vom/ von Narzissten sexuell angemacht fühlten, ungewollte und vielleicht unpassende physischen Kontakt hinzunehmen. Ich nannte es Belästigung „light“, weil

1) es nicht offensichtlich sexuell war und

2) vielleicht nie in aktuelle Belästigung und den sexuellen Akt übergegangen ist.

Die Antwort war ein überwältigendes Ja mit ein paar Antworten „110 %“ und „Schreib einen Artikel darüber“. Einige Freunde hatten ihre spezifische Geschichte dazu. Die Schlussfolgerung scheint zu sein, das Anmache „light“ typisch für narzisstische Grenzenlosigkeit ist. Es mündet in dem Ergebnis, dass ihre Kinder entweder keinerlei physische Grenzen im Leben verspüren oder Kilometer hohe, Stacheldraht verzäunte physische Grenzen hochziehen. 

 

Ist es Belästigung „light“ oder nur Verwirrtheit?

Nenne es dumpfes Glück oder göttliche Weisung. Letztes Jahr hatte ich das Glück, einen Therapeuten zu finden, der gerade seine Doktorarbeit mit dem Thema zu vertreten hatte: sexualisierter Kindesmissbrauch. Das Thema interessierte ihn sehr und war auch mein Feld hohen Interesses. Als ich ihm meine Lebensgeschichte erzählte, betonte ich, dass ich als perfekte, junge Dame erzogen wurde. Nein-Sagen und „Fass mich nicht an“ gegen Fremde, die mich nicht berühren sollten. Ich sollte von Fremden, die Bonbons anboten, wegrennen und so weiter.

Und jetzt scheint da ein Sternchen, eine Fußnote, ein Hintertürchen in dem exzellenten und bedachten Training zu sein.

 

Zum Beispiel beschwerte ich mich als kleinen Mädchen bei meinen Eltern, wenn ich mich verletzt fühlte, wenn meine Großmutter mir gewohnheitsmäßig auf die Brust klatschte, was definitiv ein „Fass mich nicht an“-Bereich nach den Lehren meiner Eltern war. Ich wurde versichert, man würde „mit Großmutter darüber reden“. Aber nichts änderte sich. So beschwerte ich mich wieder und mir wurde erzählt: „Großmutter meint es nicht so. Sie wird nicht damit aufhören. Nimm das halt hin.“

Dieses Hintertürchen führte zu anderen Hintertürchen in meiner Kindheit. Ich lernte es „aufzusaugen“, wenn es beim Spielen  zu roh wurde und mir physische Schmerzen verursachte. Mir war es nicht erlaubt selbstständig zu baden, bis ich in der vierten Klasse war. Wenn ich gekrault wurde, bis ich schrie, wurde ich ernst aufgefordert: „Sei ruhig! Willst du, dass die Nachbarn die Polizei holen?“ Wenn ich versuchte den bohrenden Fragen meiner Eltern auszuweichen, wurde meine Schultern fest gehalten und ich war gezwungen zu ertragen, dass beide Ohren komplett geleckt wurden. Und dann gab es diese harten, schmerzhaften Klapse, um meine kindlichen Oberschenkel wackeln zu lassen.

 

Ich hasste es, mit meiner Mutter zu schmusen, aber sie liebte es. Als ich mit fünfzehn meinen BH auszog und meine Mutter fragte, ob sie schnell gucken könne, ob ich mich wie eine normale Frau entwickle, fragte sie, mich anzufassen!? (WTF?! Natürlich konnte ich nicht Nein sagen.)

Und klar, da war immer die Angst, dass meine Füße erfasst werden und die Fußsohlen gekitzelt wurden und schließlich sadistisch hart und schmerzvoll geschlagen werden.

Im Alter von 12 war ich überrascht, dass man mir erzählte, dass meine Eltern in meinem Zimmer waren, während ich schlief, und „zu viel“ gesehen haben, nämlich dass mein Nachthemd „nach oben gewandert“ wäre. Das alles bereitete mir Sorgen, aber es war auch „normal“.

Ich erinnere lebhaft, wie ich durch ein Einkaufszentrum gegangen bin, als meine Eltern mit schwingender Hand „zufällig“ mit jedem Schritt auf meinen Hintern geschlagen haben, voraus starrend, als wären sie sich nicht bewusst, was ihre Hand täte.

Es war dieser Gesichtsausdruck oder eher das Fehlen dessen, den ich später bemerkte und Jahrzehnte später registrierte, wenn sie etwas falsch gemacht hatten.

 

Dankenswerter Weise lösten sich all diese Probleme auf, als ich die Zeit des Mädchenseins hinter mich gelassen hatte und in die Pubertät kam.

Aber eines Tage drängte mich meine Mutter in die Ecke der Küche, zog mich von der Taille aufwärts nackt aus und benutzte zu meinem Schrecken und Scham Kreppband, um einen selbstklebenden BH mit einem Handtuch zu modellieren. Mit dieser kärglichen Hülse, wurde ich dazu genötigt, vor beiden Eltern aufzumarschieren, damit sie meinen Rücken nach Anzeichen von Skoliose absuchen können, denn wie sie sagten: „Wir trauen dem Rücken-Doktor nicht, ob er alle die Kurven der Wirbelsäulensymptome erkennt.“

Aber es endete nicht einmal, als ich groß geworden war. Zum einen ging meine Schlafzimmertür nicht zu, ohne die Schulter dazwischen stemmen zu müssen. Und das Kuckkucks-Spiel um die Tür ging auf die Nerven. Und natürlich war mir nicht erlaubt, die Türe nachts zu schließen.

Es gab eine Zeit, oh viele Zeiten, dass jemand über meinem Bett lehnte, um mich am Morgen zu küssen, und ich gezwungen, mich schnell zur Seite zu drehen oder meinen Arme um meine Brust zu wickeln, um einen „zufälligen Busenschrammer“ zu vermeiden. Tag für Tag, Jahr für Jahr. Und ich fragte mich: War es absichtlich oder eher naiv? Natürlich können „Unfälle“ passieren. Und wenn sie es taten, wurde von mir erwartet „zuzugeben, angeschrien zu werden, belehrt zu werden, dass ich mich selbst beschütze müsse und dann ihnen zu vergeben. Vergeben….für etwas, was ein anderer getan hat. Großes mind f****!

 

 

Und entgegen meiner Einwände hörte meine Mutter nicht auf, an meinen Ohrläppchen zu knabbern (und erlaubte mir kein Ohrstecker).

Und ständig „vergaß“ sie etwas und kam in mein Schlafzimmer, während ich mich anzog, obwohl ich sie bat: „Bitte warte, bis ich meine Unterwäsche angezogen habe.“

Deshalb kam ich in die Situation, meinen Therapeuten zu fragen: „War das Belästigung „light“ oder nur Dummheit?“ Denn es wurde nie schlimmer. Die Belästigung „light“ hatte kein spezielles Ziel und kulminierte nicht in Sexualität. Trotzdem war die unausgesprochene Botschaft klar.

 

Wir Eltern behalten uns Hintertüren deiner physischen Grenzen vor.

Sag zu allen Nein, aber nicht zu uns. Nie zu uns.

Wir haben dich auf die Welt gebracht, und wir können mit dir tun, was immer wir wollen.

Hast du verstanden, Kind?

 

 

Konfusion

Während viele meiner Facebook-Freunde, die „Belästigung light“ erlebten, mit hoch gezogenem Rasierklingen-Draht ihrer physischen Grenzen verteidigten, gingen einiger meiner FB-Freunde und ich ins andere Extrem. Einige berichteten, dass sie unfreiwillig mit Männern schliefen, weil sie nicht Nein sagen konnten und die Gefühle von ihm nicht verletzen wollten. Oder sie waren so geschockt und betört, dass sie mit jedem, der sie haben wollte, Ja sagten, ob sie wollten oder nicht, in Laune waren, wie auch immer! Persönlich kam ich in eine Grenzenlosigkeit, als ich 20 war, verwirrt, erschreckt durch jeden und bewaffnet mit Pfeffer. Warum?

Selbst meine Mutter fragte mich: „Warum lässt du jeden dich anfassen?“ Und das von derselben Frau, die sagte, und ich zitiere wörtlich: „Wenn ich ein Hundebaby hätte, würde ich ihn sehr ans Anfassen gewöhnen, so dass sie nicht hochnäsig werden. Aber ich hatte nie ein Hundebaby. Ha ha ha! Ich hatte nur dich!“

Sicherlich machte das Trauma und PTSD meine Teenie-Jahre etwas aus. Wie der alte Spruch besagt: „Ich konnte nicht Buh zu einer Gans sagen.“ In der Tat war mein Selbstbewusstsein so schwach, dass ich dazu kam zu glauben, dass ich vor einem lauernden Vergewaltiger in einer dunklen Allee absolut sicher bin. „Igitt! Nicht hier!“  Ich stellte mir vor, dass er zu sich selbst sagte: „Ja, das Selbstbewusstsein eines Mädchen ist schwach, wenn die Autoritätspersonen ihre Sache verstanden haben.“

 

Logischerweise dann, wenn ich dabei war, Nein zu einer ungehörigen Berührung zu sagen, war ich in Panik die Seelen zerstörende Antwort zu hören: „Das war nur aus Versehen! Sei nicht so überheblich! Als ob ich dich berühren wollte! Igitt! Ich habe damit nichts sagen wollen.“ Und ich konnte es nicht ausstehen,das zu hören. Und nach all dem, wenn es ein zufälliger „Busenschrammer“ zu Hause fällig war und wenn es krank von mir war, anders zu denken, so war es sicherlich außerhalb des Haus auch eher zufällig…nicht wahr?

 

„Belästigung light“ verwirrt die Opfer  und lässt sie in Verleugnung verharren. Warum schaut mich mein Kollege nicht an…gerade hier, du weißt, wo meine Augen liegen? Ist der ständig lächelnde Mann im Laden mit mir am Flirten. War dieser „Busenschrammer“ eigentlich eine unpassende Berührung oder nur ein Versehen?  Macht der letztendlich in die Luft starrende Nachsteller mit dem vertrauten düsteren Ausdruck wirklich etwas mit seinem Arm? Letztlich benutzt er nicht seine Hände! Er ist clever…oder nur ungeschickt? Ich konnte es nie raus bekommen. So bin ich immer erstarrt, gab vor, dass nichts passiert wäre, während meine Augen vor- und zurückgingen, wild, in der Manier von EMDR. (Rückblickend gesehen muss der Ballsalon-Tanzlehrer eines super gute Zeit gehabt haben!)

 

In einer Art machte das Verheiratet-Sein es noch schlimmer. Im Gegensatz zu meinen Erklärungen hat es mir kein Vertrauen  in den Wunsch gegeben, bei einem Flirt forscher zu werden, wenn es passierte. Gerade wenn mein Verlobter (jetzt Ehemann) mir den Nacken massierte oder mir einen spielerischen Klaps auf den Allerwertesten gab, fühlte es sich vertraut an. Ich habe es alles vorher im Busen der Familie erfahren. So…war es platonisch damals und jetzt aber romantisch? Oder war es damals unpassend und jetzt platonisch? Oder, oder, oder…Ich erstarre noch immer und verleugne noch immer.

 

Meine Augen sind immer noch in EMDR-Bewegung, vor und zurück.

 

Wie gesagt, Verwirrung.

 

 

Überreaktion

An einem gewissen Punkt fängst du an, über zu reagieren. Einige der Freunde berichten von „durchdrehen“, wenn der Kollege auf die Schulter klopfte. Ich schrie auch schon einen Kollegen an, wenn er meine Schulter anfasste.  Schließlich legte ein HR-Team einer früheren Firma den Arm um mich, während sie mir sarkastisch das Handbuch gegen sexuelle Belästigung aushändigten.

Wenn du schließlich Grenzen ziehst oder Leute in deinem Leben hast, die deine Grenzen respektieren, ist es einfach, über zu reagieren, um das nie Nein-Sagen zu kompensieren, indem man enthusiastisch Grenzen sieht jetzt, weil die Wandlung so vergnüglich ist. Um sich in der Kraft des schließlich Nein-Sagens in einem sicheren Umfeld zu aalen.

Bis zu diesem Tag wird jeder ins Gesicht geschrien bekommen, wenn er meine Ohren berührt: „Mach das nie wieder?“

Schluss endlich, als ich dann mal „Ohrenlecken“ googelte, fand ich eine Millionen Porno-Seiten. Das war ein wirkliches Aufwachen!

Und als ein extra Maß an Schutz wird jeder potentielle Nuckler einen Mund voll scharfen Metall-Piercing bekommen!

Wenn jemand zu meinen Fußende des Bettes kommt, wird er bemerken, dass ich instinktiv meine Füße zum Schutz einziehe. Und wenn du mich noch kitzelst, bin ich nicht verantwortlich für meine Aktionen!

Aber auch verheiratet und fast 40 Jahre alt, bin ich immer noch naiv und verwirrt. Wenn der Postfahrer mit mir flirtete letzte Woche, tat ich so, als wäre nichts passiert, machte eine Grimasse und flüchtete. Es ist immer noch meine Technik. Nur später fragte ich mich, „Halt,…flirtete er? Mit mir!?“ Warum? Bin ich …hübsch?“ Wirklich? Ich bin niemals sicher. Da ist das Gesetz von „Belästigung light“.

 

Eine weise Facebook-Freundin gab mir die Faustregel für unpassende Berührungen:

 

Wenn sie verlegen sind und sich entschuldigen, war es hoffentlich ein echter Unfall. Wenn sie sich nicht entschuldigen und tun, als wäre nichts passiert, geschah es aus Absicht.

 

Lenora Thompson 

 

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Emma Kober

 

 

Quelle: https://blogs.psychcentral.com/narcissism/2017/07/wait-was-that-sexual-grooming/

 

Lenora Thompson ist freie Journalistin für die Huffington Post und Holzbrand-Künstlerin. In ihrem Blog „Narzissmus begegnet der Normalität“ („Narcissism Meets Normalcy“) beschreibt sie ihre wahre Lebensgeschichte, eine Flucht in jüngster Zeit aus der Geiselhaft einer Generationen übergreifenden, sektenhaften, narzisstischen Familie. Mit offenem, beißenden Humor und Sarkasmus beschreibt sie mutig und realistisch, was sie erlebte. Lenora Thompson sieht sich selbst als „whistleblower“, die eine Schlaglicht auf narzisstischen Missbrauch wirft, so dass auch andere anfangen, ihre Freiheit und die Erfahrung von Heilung zu machen. Hier ihre Webseite: http://www.lenorathompsonwriter.com

 

Der Artikel ist nur zur Information und hat aufklärerische Absichten. Es sollte unter keinen Umständen als Therapie erwogen werden oder Therapien und Behandlung ersetzen. Wenn du dich Selbstmord gefährdet füllst, oder denkst, dich selbst zu verletzen, oder wenn jemand in Gefahr ist, wende dich an öffentliche Notrufstellen. Der Inhalte dieser Blogs und alle Blogs beschreiben die Meinung von L. Thompson. Wenn du Hilfe brauchst, kontaktiere qualifizierte psychologische Stellen.